Adjö Cash – schafft Schweden das Bargeld ab?

Stand: 15.10.2021

Einige Finanzakteure würden Bargeld am liebsten gestern abschaffen. Auch so mancher Politiker liebäugelt mit einer Gesellschaft ohne Münzen und Scheine. Nun macht eines der fortschrittlichsten Länder der Welt Ernst: Schweden will seine Gesellschaft bargeldlos. Könnte uns das auch passieren?

Die Münze muss weg Prominente Unterstützung Weitergedacht beim Nachbarn? Kein Ende von Bargeld in Deutschland Fazit

Die Münze muss weg

Sie jagen einem Bus hinterher, springen keuchend in die Tür und kramen erleichtert Ihr Kleingeld heraus, um ein Ticket zu bezahlen. Doch der Busfahrer winkt ab. Keine Münzen, keine Scheine. Glauben Sie nicht? Dann sollten Sie in Stockholm lieber nicht mit dem Bus fahren. Denn dort kann man seit einigen Monaten kein Bargeld mehr verwenden. Ein Fahrschein lässt sich dann nur noch über das Handy kaufen. Ansonsten wird üblicherweise eine sogenannte SL Access – Karte vorab mit Guthaben aufgeladen (ähnlich einer Prepaid-Kreditkarte).

Was im ÖPNV seltsam anmutet, ist für Schweden längst zu einer Staatsräson geworden. Nach und nach soll das Bargeld aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden. Oder wie es in einem Erfahrungsbericht eines Studenten der Uni Heidelberg heißt:

„Definitiv gut zu wissen ist, dass man nirgends Bargeld braucht.“

Die Fakten bestätigen diesen Eindruck: Schon jetzt werden 95 % der Umsätze im Einzelhandel ohne Bargeld erzielt.

Bereits 2013 waren erste Maßnahmen zu sehen. So beschloss die Swedbank, eines der größten Finanzinstitute in Nordeuropa wohlgemerkt, kein Bargeld mehr in ihren Filialen auszugeben, geschweige denn anzunehmen. Dies führte zu einer Entrüstung ebenso rüstiger wie reicher Rentner. Allerdings mit mäßigem Erfolg. Denn das smart cash, wie digitales Geld hip und modern genannt wird, hat auch berühmte Fans.

Prominente Unterstützung

Für die Abschaffung von Bargeld setzen sich in Schweden die ganz Großen ein – und damit sind nicht nur Politiker gemeint, sondern auch Popstars. So startete Abba-Sänger Björn Ulvaeus einen Selbstversuch: Ein Jahr lang ohne Bargeld leben. Die einzige Sorge, die er dabei hatte: Die Münze für den Einkaufswagen fehlte. Na wenn‘s sonst nichts weiter ist…

Wir Deutschen tun uns schwer damit, auf unser geliebtes Bargeld zu verzichten. Denn die meisten von uns lassen sich von den typischen Argumenten nicht überzeugen. Das populärste unter ihnen: Durch die Abschaffung von Bargeld würde der Schwarzmarkt ebenso abgeschafft. Nur haben Kriminelle nicht auch Zugriff auf digitales Geld? Das Problem würde sich lediglich verlagern. Kritiker befürchten sogar schlimmere Folgen: Kommen Cyberkriminelle an das digitale Portemonnaie, sind im schlimmsten Falle auch die Ersparnisse weg.

Schweden zeigt sich allerdings überzeugt: Nach einer Studie der Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ glaubt die Hälfte der Bürger, dass Bargeld in 20 Jahren nur noch in den Geschichtsbüchern Erwähnung findet.

Weitergedacht beim Nachbarn?

Die Idee einer bargeldlosen Gesellschaft ließe sich mit anderen, noch abenteuerlicher anmutenden Konzepten wie dem bedingungslosen Grundeinkommen verknüpfen. In Finnland wird 2017 ein Experiment gestartet: 800 Euro, ohne eigenes Zutun. Allerdings gibt ein durchschnittlicher finnischer Haushalt beinahe 4x so viel Geld aus. Und am Experiment wird der bisherigen Planung nach nicht jeder Finne teilnehmen. Vorgesehen sind einige tausend Bürger, die per Losverfahren ermittelt werden.

Auch stimmt die Rechnung auf anderen Ebenen nicht. Denn letztendlich geht es der finnischen Regierung darum, das Sozialsystem zu verschlanken. Soll heißen: Das bedingungslose Grundeinkommen gibt es anstelle von Arbeitslosengeld, Ausbildungs- und Elterngeld.

Dennoch wäre eine Kombination denkbar: Digitales, bedingungsloses Grundeinkommen sozusagen. Wem das zu sehr nach Piratenpartei klingt, hat vielleicht eine recht gesunde Skepsis gegenüber diesen Theorien. Denn Bargeld erfüllt eine wichtige Funktion: die des Datenschutzes. So lassen sich Transaktionen nicht ständig zurückverfolgen. Das mag im kriminellen Bereich von Vorteil sein, aber auch der normale Bürger dürfte sich beim Kauf von Dessous oder ähnlich diskreten Dingen anonym deutlich wohler fühlen.

Kein Ende von Bargeld in Deutschland

Nicht jeder technische Fortschritt ist automatisch sinnvoll. Dass sich hierzulande die Verdrängung von Bargeld nicht im gleichen Ausmaß entwickelt wie in Schweden zeigt, dass Bargeld in Deutschland nach wie vor sehr beliebt ist. Daher finden Sie auf Kontofinder faire Vergleiche, die auch die Gebühren von Bargeldaus- bzw. Bargeldeinzahlungen im Blick haben.

Fazit

Schweden ist auf straffem Weg in eine bargeldlose Gesellschaft. Gut ist das nicht unbedingt für die Bürger, wohl aber für Politik und Banken. Auch die EU tut alles, um das unliebsame Bargeld, das ja ein gewisses Maß an Anonymität gewährleistet, aus dem Verkehr zu ziehen. In Deutschland dürften diese Vorhaben allerdings nicht so einfach umzusetzen sein. Seit Jahren fassen elektronische Bezahlsysteme hierzulande schwer Fuß. Es bleibt abzuwarten, wie viel Bargeld in den kommenden Jahren im Umlauf sein wird. So oder so werden die Bürger jedoch die Rechnung für diese Entwicklungen zahlen müssen.


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Eine erschreckende Vision: Der/die Bürger/in wird auf Schritt und Tritt verfolgt, schlimmer als Orwell! Ein Alptraum!

von Laurenzerl