Naht das Ende der Banken?

Stand: 16.12.2022

Für die meisten von uns ist es selbstverständlich, ein Girokonto zu führen. Zwar gibt es aktuell noch eine halbe Million Bürger ohne, doch soll sich das gemäß EU-Recht bald ändern. Wie aber sieht die Zukunft des Girokontos aus? Und wie gehen Banken mit den neuen Herausforderungen um?

Schon jetzt Alternativen? Das Ende vom günstigen Konto Weniger Gewinne im Privatkundengeschäft Die Folge: Filialsterben Einbußen im Service Strafzinsen und Co. Imagepflege Die Zukunft der klassischen Banken Banken machen mobil Fazit

Längst haben wir uns an kostenlose Konten gewöhnt. Denn seit Sommer 2016 ist es die gesetzliche Pflicht der Banken, kostenlose Guthabenkonten anzubieten. Zugleich aber stehen die Finanzinstitute großen Herausforderungen gegenüber. FinTechs drängen auf den Markt und bieten Alternativen zum klassischen Girokonto an. Auch lohnt sich das klassische Geschäft mit Privatkunden kaum noch. Wie gehen Banken damit um? Und werden Sie womöglich komplett überflüssig?

Schon jetzt Alternativen?

Die Entwicklung im Sektor des Finanzwesens vollzieht sich rasant, allen voran FinTechs wie N26. Nutzer können hier eine App herunterladen, mit der sie ihre Finanzgeschäfte tätigen. Auf diese Weise will N26 das Girokonto ersetzen. Doch nicht nur das: Inzwischen bietet das Berliner Unternehmen auch Investitionsmöglichkeiten an – und all das mit ein paar Klicks auf dem Smartphone bzw. Tablet. Schritt für Schritt hat N26 so seine Produktpalette erweitert.

Doch FinTechs wie dieses haben kein leichtes Spiel. Längst können Sparkassenkunden mithilfe einer App Überweisungen tätigen – und zwar von ihrem eigenen Girokonto aus. Das ist transparent, unkompliziert, direkt und vor allem kostenlos. Aber wird das dazugehörige Girokonto auch in Zukunft kostenlos bleiben?

Das Ende vom günstigen Konto

Zwar drängen junge Unternehmen auf den Markt, doch nach wie vor sind die Girokonten großer Banken nicht aus dem Alltag der Menschen wegzudenken. Fraglich ist allerdings, ob es diese Leistung weiterhin kostenlos gibt.

Nach wie vor können Verbraucher mit einem Girokonto Vergleich gute Angebote finden. Dies liegt nicht zuletzt an dem Wunsch der Banken, Kunden zu gewinnen. So bieten zahlreiche Kreditinstitute noch immer kostenlose Giro- und Tagesgeldkonten an. Das ist umso erstaunlicher, wenn man die verschwindend niedrigen Zinsen und die günstigen Konditionen für Verbraucher berücksichtigt, die die Gewinne der Banken schmälern. Das bringt natürlich weniger Einnahmen und sorgt für erbitterten Wettbewerb.

Auf Dauer werden Banken das Versprechen kostenloser Kontoführung wohl nicht halten können. Viele von ihnen gehen daher den Weg des Gesundschrumpfens – mit massiven Folgen für den Verbraucher.

Weniger Gewinne im Privatkundengeschäft

Lange Zeit galt die Commerzbank als eines der wenigen Beispiele für ein lohnendes Geschäft mit Privatkunden. Besonders gut lief bisher der Sektor Baufinanzierung. Und nach wie vor sieht das Kreditinstitut sich als stark wachsenden Innovationsführer. Tatsache ist aber ebenfalls, dass laut Tagesspiegel der Nettogewinn der Bank im vergangenen Jahr um mehr als 500 Millionen Euro abstürzte. Daher hat sich die Commerzbank das Ziel gesetzt, bis 2020 mindestens zwei Millionen neue Kunden zu gewinnen.

Dass dies kein leichter Weg ist, wissen die Verantwortlichen. So bezeichnete Vorstandschef Martin Zielke die Jahre 2017 und 2018 als „Übergangsjahre“. Wenn selbst eine große Bank derart verhalten spricht, lässt sich für den Privatkundensektor aller Banken wohl sagen: Die fetten Jahre sind vorbei.

Die Folge: Filialsterben

Laut Bundesbank verringert sich die Zahl der Bankfilialen jedes Jahr um durchschnittlich 1.000. Doch nicht nur das Filialsterben aufgrund der hohen Konkurrenz, sei es durch FinTechs oder Direktbanken, nimmt weiter zu – Banken haben regelmäßige Ausgaben, darunter auch die Löhne ihrer Angestellten.

Tipp

Lesen Sie passend zum Artikel unseren Beitrag zum Thema: Chancen und Risiken beim Sparen – was taugen FinTechs?

Und noch eine Ursache ist für das Filialsterben verantwortlich: der Spardruck, der auf deutschen Banken lastet. Zwar haben nahezu alle von ihnen den Stresstest der EZB bestanden. Allerdings wurden die Eigenkapitalforderungen seitens der Politik stark erhöht, um sich für weitere Finanzkrisen abzusichern.

Die Banken müssen also mehr Gewinne erwirtschaften und zur gleichen Zeit Kosten senken. Viele Bankhäuser sehen angesichts der großen Konkurrenz durch Direktbanken und FinTechs die einzige Lösung in der Schließung von Filialen.

Einbußen im Service

Bankberater kosten Geld. Für viele Menschen sind persönliche Ansprechpartner aber nach wie vor wichtig, wenn es um die eigenen Finanzen geht. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Von der Kartensperrung über Fragen zum Dispokredit hin zum Vermögensaufbau – all diese persönlichen Beratungs-Services kann eine Direktbank ihren Kunden nicht bieten. Andererseits trumpfen diese mit günstigen oder sogar kostenlosen Konten auf. Solch verlockenden Angeboten müssen klassische Banken etwas entgegensetzen, wenn sie ihre Kunden nicht verlieren wollen.

Im Jahr 2015 waren bereits 18,2 Millionen Kunden bei einer Direktbank. Vorteile im Vergleich zu Filialbanken sind in der Regel ein kostenloses Girokonto, gebührenfreie Kreditkarten und weitere attraktive Konditionen. Da Direktbanken dank ihrer nicht vorhandenen Filialen erheblich Kosten sparen, können sie Verbrauchern diese attraktiven Angebote machen.

Strafzinsen und Co.

Als eine Art Notlösung haben viele Banken die sogenannten Strafzinsen eingeführt. Minuszinsen also, die bei einem Plus auf dem Konto fällig werden. Doch nicht alle ziehen mit. So hält die Commerzbank auch in diesem Jahr nichts davon. Nach eigenen Angaben werde es 2017 keine solchen „Minuszinsen“ für Privatkunden geben.

Auf der Bilanzkonferenz in Frankfurt sagte deren Vorstand Zielke, er „sehe das nach wie vor bis auf Weiteres nicht.“ Anders als die Sparkassen. So berechnet die Sparkasse Leipzig seit dem 01. Februar 2017 ein „Verwahrentgelt“ in Höhe von 0,4 % – allerdings erst ab einer Summe über 500.000 Euro. Noch gilt dieser Strafzins nur für Geschäftskunden. Doch langfristig werden Privatkunden wohl nicht um diese Maßnahme herumkommen.

Imagepflege

Die Menschen sind kritischer geworden, auch bei Finanzprodukten. PR und Marketing können Skandale erfreulicherweise nicht mehr so leicht kaschieren. So erlitt die Deutsche Bank durch die Spekulation mit Rohstoffen einen empfindlichen Imageschaden. Inzwischen passen die Kreditinstitute besser auf, worin sie investieren. Das mag einerseits an den Werten der Banken, mehr aber noch an der Skepsis der Verbraucher liegen.

In der Fachwelt nennt man dieses Prinzip Regulierungsdichte. Die Regierungen verabschieden zunehmend Gesetze, um Banken von spekulativen Geschäften abzuhalten. Finanzberater sollen künftig stärker für ihre Empfehlungen haftbar gemacht werden. Dabei handelt es sich um eine Lehre aus der Krise von 2007 und ihren Folgen für Verbraucher und Banken. Allerdings greifen diese Gesetze, die sich insbesondere an Investmentbanken richten, nur bedingt. So schrieb die FAZ bereits im Juni 2013:

Die jüngsten Regelungen lassen so viele Ausnahmen zu, dass im Zweifel am Ende wieder die gesamteuropäische Solidarität gefragt ist, wenn es nationale Banken zu retten gilt.

Attraktive Zinsen allein genügen nicht mehr. Kunden achten verstärkt auf das Image ihrer Banken. Dieses Image zu pflegen, kostet Zeit, Mühe und Geld. Und jetzt können Sie raten, woher die Banken das besagte Geld dafür nehmen.

Die Botschaften der Banken in TV-Werbung und auf Plakaten ist hingegen eindeutig: Wir sind seriös und haben aus der Finanzkrise gelernt. Auffällig daran ist, dass sehr viele Großbanken diesen Weg gehen, um sich im Wettbewerb um die Privatkunden zu behaupten.

Die Zukunft der klassischen Banken

Klar ist: Die Finanzinstitute müssen sich etwas einfallen lassen, wenn sie am Markt nicht von den schnellen FinTechs überrannt werden wollen. Aus diesem Grund erstellt das Innovationsforum Bank und Zukunft Konzepte, die sich in vier wesentliche Themenbereiche gliedern: Kunden kennen und verstehen, diese einbinden, passgenau bedienen und die Banken auf die Zukunft vorbereiten. Konkret sollen die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden im Zentrum der Überlegungen stehen. Um an diese wertvollen Informationen zu kommen, bedienen Banken sich der sozialen Netzwerke, um einen direkten Kontakt mit ihren Kunden aufzubauen.

Darüber hinaus soll die Effizienz der Banken erhöht werden: Verstärkte globale Vernetzung gehört genauso dazu wie der Ausbau moderner IT-Systeme, um im Wettbewerb um Privatkunden nicht vom Silicon-Valley-Zeitgeist abgehängt zu werden.

Auch die Anforderungen an das Personal werden größer: Bankmitarbeiter sollen in Zukunft nicht nur ihr Metier bestens kennen, sondern darüber hinaus aus einer Vielzahl von Informationen und Angeboten die optimalen für den Kunden herausfiltern. Kurzum: Ein Bankmitarbeiter ist dann nicht mehr nur Berater, sondern ein menschlicher Kompass für kurz-, mittel- und langfristige Budgetplanung. Für diesen Zweck müssen Mitarbeiter verstärkt soziale Kompetenzen mitbringen und sich stetig weiterbilden.

Banken machen mobil

Die Kreditinstitute sollen nicht nur effizient, sondern auch dynamisch funktionieren. An den klassischen Öffnungszeiten wird ebenso geschraubt wie an den Kommunikationskanälen. Mit der verstärkten Aktivität im Bereich der Social Media gehen die Banken bereits entscheidende Schritte in diese Richtung.

Schon jetzt gehören Video-Beratungen wie bei der apoBank zum Alltag. Mit dieser digitalen Orientierung können Banken das Problem der schrumpfenden Filialen zumindest teilweise abfedern. Weiter geht es mit der Kontoeröffnung via Videochat, was noch einen Schritt weiter als das Girokonto mit Video Ident bedeutet. Allerdings existieren hierbei Risiken beim Datenschutz, über die Nutzer sich im Klaren sein sollten.

Fazit

Noch gibt es zahlreiche kostenlose Girokonten und die Banken sind bestrebt, ihren Privatkunden maximal entgegen zu kommen. Allerdings sind in der heutigen Wettbewerbssituation mit Direktbanken und FinTechs klassische Lösungen nicht mehr zielführend: Banken können entweder kostenlose Konten anbieten oder müssen ihr Beratungsangebot zurückschrauben.

Denkbar wäre auch eine Kombilösung: Eine Erhöhung der Grundgebühr oder eine Reduzierung von Filialen und Mitarbeitern, dafür jedoch Allrounder, die den Kunden langfristig binden. Doch selbst wenn es zu einer Erhöhung der Kontoführungsgebühren kommen sollte: Banken und ihre Girokonten bleiben auf absehbare Zeit die großen Spieler im Finanzgeschäft.


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