Finanzkrise auf der Leinwand – „The Big Short“

Stand: 16.09.2021

Die Weltwirtschaftskrise – jaja, schlimm, was da passiert ist! Die Immobilienblase, genau, und dann noch der Zusammenbruch der Banken. Wenn es um das größte Finanzdebakel unserer Zeit geht, dann fallen oft Floskeln wie diese. Aber was genau ist da eigentlich geschehen? Wie und wohin sind Milliarden über Milliarden Dollar verschwunden? Warum haben etliche Menschen ihre Arbeit und ihre Häuser verloren? The Big Short wagt den Versuch einer Erklärung mit Topstars wie Ryan Gosling, Brad Pitt und Steve Carell. Und macht dabei alles richtig.

Mutiges Kino Unterhaltsam und spannend Business-Kauderwelsch als Masche Der unsichtbare Betrug Fazit

Mutiges Kino

Finanzen haben es im Kino wirklich schwer und nicht nur da: Auch im Alltag wollen sich die meisten Menschen nicht mit Aktien, Dividenden oder Hedgefonds beschäftigen. Für sie bleiben diese Begriffe böhmische Dörfer. Und genau hier drückt The Big Short wie ein Stachel ins Fleisch.

Der Film führt uns Zuschauern die eigene Bequemlichkeit vor. Denn erst im Schatten dieser Bequemlichkeit konnte sich eine derart betrügerische Wirtschaft aufblähen.

Dabei sind die Zusammenhänge, so komplex sie im Detail sein mögen, im Ansatz gut zu verstehen: Banken verhökerten Schrottpapiere.

Ganz besonders in der Kritik standen hier die sogenannten Collateralized Debt Obligations, kurz CDOs. Diese Obligationen sind in einzelne Tranchen aufgeteilt, die aufeinander aufbauen. Jene Tranchen und damit die CDOs im Ganzen wurden fälschlicherweise mit hoher Bonität bewertet, wurden also aufgrund falscher Annahmen als vertrauenswürdig eingestuft. Das ist in etwa so, als würden sie die Staatsanleihe eines failed states als absolut vertrauenswürdig bewerten, weil ihnen der Diktator seinen Goldpalast zeigt.

Mit ähnlichen Vergleichen will Regisseur Adam McKay uns das trockene, abstrakte Konstrukt der Wall Street näherbringen. Dafür setzt er, neben hochkarätigen Schauspielern, auf Stars aus der Populärkultur wie Selena Gomez. McKay vermengt die Geschichte um Hedgefondsmanager und knallharte Banker mit Bildserien der Unterhaltungsindustrie: ein Britney Spears-Konzert, Fressorgien, von Zucker betrunkene, adipöse Passanten auf den Straßen New Yorks – rasant bekommen wir vorgeführt, wie wir uns die Zeit vertreiben, während andere Roulette mit unserem Ersparten und unserer Altersvorsorge spielen.

Unterhaltsam und spannend

The Big Short tappt nicht in die Falle, ein steifer Dokumentarfilm zu sein. Zusammen mit dem soliden Cast haben die Drehbuchautoren das Maximum aus diesen verwirrenden Strukturen herausgeholt, ohne wichtige Details auszulassen.

Da ist die plötzliche Pleite der Lehman Brothers Investmentbank, das Versagen der Ratingagenturen, sowie die perverse Gewinnerseite einer kollabierenden Volkswirtschaft. Denn wer zur richtigen Zeit shortete, also auf fallende Kurse gewettet hat, der konnte umso mehr Gewinn aus dem Elend schlagen. Ein paar schlaue Menschen haben das marodierende System durchschaut und ihren Nutzen daraus gezogen. So wie es Spekulanten auch heute noch tun.

Business-Kauderwelsch als Masche

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum die Börse eine eigene Sprache hat? Sicher, weil sie wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten folgt und weil jede Branche ihren eigenen Code, jede Firma ihre Corporate Language hat.

Doch der Film vermutet hier noch einen ganz anderen Grund: Die Börse soll komplex und undurchsichtig auf uns wirken, sodass wir nur Experten zutrauen, im kryptischen Gewimmel um Optionsscheine, Penny Stocks und negativer Amortisation den Durchblick zu behalten. Der Bürger soll bloß nicht auf die Idee kommen, sich selbst mit den Anlageprodukten kritisch auseinanderzusetzen – er könnte ja millionenschwere Machenschaften aufdecken.

Der unsichtbare Betrug

Das große Problem am Finanzbetrug ist seine fehlende Unmittelbarkeit. Wenn die Banken pleitegehen oder Unternehmen Insolvenz anmelden, spüren wir davon erst einmal wenig (es sei denn, wir sind dort angestellt). Wir denken: „Es wird schon alles irgendwie weitergehen.“

Dass dieses Denken ein fataler Trugschluss ist, zeigen die aktuellen Entwicklungen. Im Grunde arbeiten die Banken spekulativ wie eh und je. Insbesondere, nachdem sie erfahren haben, dass sie von staatlicher Seite mit Milliardenpaketen vom Steuerzahler gerettet werden, falls die Spekulationen schiefgehen.

Obwohl die Weltwirtschaftskrise also zahllose Menschen in das finanzielle Nichts gestoßen hat, gehen wir nicht die Grundübel des Systems an. Wir vertrauen weiterhin auf die Banken, nutzen ihre Konten und Anlageprodukte. Sogar vor unabhängigen Finanzberatungen schrecken wir zurück, weil sie uns zu teuer sind. Stattdessen gehen wir lieber zu unserer Hausbank, das ist bequemer und der Berater wirkt doch so nett.

Und so wird es auch weiterhin betrügerische Deals geben: Papiere, die nichts wert sind und von den Banken an andere Banken verkauft werden, um damit Profit zu machen. Bis die nächste Blase platzt und es vielleicht eine Fortsetzung von The Big Short geben wird.

Fazit

The Big Short ist ein umstrittener Unterhaltungsfilm, der die abstrakten Ursachen der Weltwirtschaftskrise mit Bauklötzchen und anschaulichen Vergleichen mit Sterneköchen und Starlets zugänglich macht. Und das ist eine großartige Idee. Hier werden Kinokunst und Aufklärung in eleganter Manier miteinander verknüpft. Unser Tipp: Angucken!


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