Zinsen – zur Entstehung und Kritik am System

Stand: 19.03.2024

Unsere Gesellschaft glaubt an Zinsen. Dabei unterscheiden die meisten zwischen „guten“ und „schlechten“ Zinsen: Die, die uns Guthaben auf das Konto bringen (und gar nicht hoch genug sein können) und jene, die wir lästiger Weise für Kredite oder ähnliche Darlehen zahlen müssen. Doch ganz so einfach ist die Rechnung nicht. Auch wenn das Zinssystem seit Jahrhundert in vielen Ländern der Welt verankert ist, ist es kein Naturgesetz. Im Gegenteil, Experten aus Wirtschaft und Finanzwesen kritisieren die Erhebung von Zinssätzen – mit durchaus umstrittenen Argumenten. Zeit, sich den Mythos „Zinsen“ genauer anzusehen.

Die Entstehung von Zinsen Kritik an Zinsen Wachstumszwang? Kritik an der Kritik Sind Zinsen sinnvoll? Fazit

Die Entstehung von Zinsen

In einem anderen Beitrag haben wir bereits die Geschichte des Zinssystems und die wichtigsten Zinsarten vorgestellt. Zinsen wurden bereits bei den Mesopotamiern, Ägyptern und Römern erhoben. Doch über die genauen Mechanismen des Zinssystems herrscht Uneinigkeit. Theorien darüber, wie Zinsen funktionieren, sind so vielfältig wie ihre Spielarten.

Zinsen gehören fest zu unserem Wirtschaftssystem.

Fakt ist, dass Zinsen integraler Bestandteil in unserem Finanzsystem sind. Dabei dreht es sich, sowohl auf staatlicher als auch auf unternehmerischer und privater Ebene, um das Verhältnis Schuldner – Gläubiger. Nationen, Privatpersonen und Firmengründer leihen sich Geld zu Zinsen. Zwar gibt es auch Alternativen wie Crowdfunding. Dennoch laufen die meisten Geldgeschäfte mit Zinsen ab – schließlich möchte der Gläubiger einen Lohn für sein (Ausfall-) Risiko erhalten. Kritiker halten diese Geschäftsform jedoch für höchst fragwürdig.

Kritik an Zinsen

So alt wie die Zinsen ist auch die Kritik am System. Auch heute finden sich neben den Millionen Befürwortern Finanzakteure, die das Zinssystem skeptisch sehen. Dazu gehört auch die Ethikbank, die auf ihrer Webseite Folgendes schreibt:

„Andauerndes Wachstum der Wirtschaftsleistung und exponentielles Wachstum der Vermögen und Schulden (Zinseszinseffekt) bedrohen die Stabilität der Finanzwirtschaft und unsere Lebensgrundlagen.“

Der Vorwurf dahinter: Die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert sich, da angehäuftes Vermögen durch den Zinseszins ebenso schnell wächst wie Schulden. Allein die Höhe der Dispozinsen zeigt, wie teuer eine Verschuldung bei der Bank werden kann. Im vergangenen Jahr hatte es dahingehend scharfe Kritik seitens des Justizministeriums geben. Mangelnde Transparenz und extrem hohe Zinsen waren hier die Hauptprobleme.

Und eine starke Unverhältnismäßigkeit ist nicht von der Hand zu weisen, wenn wir die Zinssätze zwischen Tagesgeld und Dispokredit von drei großen Banken vergleichen:

Bank Zinsssatz Tagesgeld Dispozinssatz (p.a.)
Santander Bank 0,30 % 10,55 – 13,80 %
Commerzbank 0,75 % 10,20 – 12,20 %
Postbank 1,25 % 10,55 – 12,42 %

Das vorhin angesprochene Risiko kann jedenfalls nicht die Entschuldigung für Finanzinstitute sein, um niedrige Zinsen zu zahlen. Auch ist es dreist, bei Tagesgeldanlagen auf eine Art Gönnermentalität seitens der Banken hinzuweisen („Sie dürfen Ihr Geld bei uns anlegen“). Schließlich re-investieren Banken das Geld der Sparer und zahlen so gut wie keinen Ausgleich.

Wachstumszwang?

Kritiker sehen im gegenwärtigen Zinssystem einen Wachstumszwang. Sie gehen davon aus, dass es durch die Erhebung von Zinsen und Zinseszinsen zu einer exponentiellen Steigerung der Geldmenge kommt. Das Problem entstehe dann, wenn nach der Tilgung des Kredites die Zinsen als zusätzliche Geldmenge übrig bleiben und von Banken „gehortet“ werden.

In diesem Zusammenhang wird gern das Beispiel des „Josephspfennings“ zitiert. Diesem Gedankenspiel nach dem englischen Moralphilosophen Richard Price zufolge, hätte Joseph ein gigantisches Vermögen für die Zukunft gesichert, wenn er zur Geburt seines Sohnes Jesus einen Penny bei einer Bank angelegt hätte.

Kritik an der Kritik

Nicht alle Experten sind derselben Meinung. So betonen Finanzexperten, dass das Beispiel des Josephspfennigs zu eindimensional sei, da es von einer dauerhaft stabilen Gesellschaft ausgehe, in der das Vermögen ungehindert wachsen kann. Tatsächlich aber haben politische und wirtschaftliche Umstürze, Kriege, Bankrotte, etc. massiven Einfluss auf Geld und seinen Wert. Insofern hätte Joseph deutlich weniger Vermögen, als es in diesem klassischen Modell angenommen wird.

Hinweis

Auch werden Zinserträge der Banken, beispielsweise von Kreditnehmern, einem komplexen Wirtschaftskreislauf zugeführt und verbleiben nicht allein bei der Bank – als Dividende für Aktionäre, als Steuern für den Staat, als Löhne für Mitarbeiter der Finanzinstitute, etc. Von einer Hortung von Geldmengen kann hier also keinesfalls die Rede sein.

Die meisten Banken und Investoren sind also an Umschichtungen interessiert. Dennoch behaupten Kritiker, dass Zinsen die Wirtschaft unnötig aufblähen würden. Die Europäische Zentralbank ging viele Jahre aber den genau entgegengesetzten Weg und kurbelte die Wirtschaft durch die Senkung des Leitzinses an.

Darüber hinaus sehen Befürworter des Zinssystems die Behauptung, es handle sich bei Krediten um eine Zinsknechtschaft, kritisch. Sie betonen, dass die Aufnahme von Krediten Investitionen ermöglicht, die viele Menschen aufgrund ihrer finanziellen Lage sonst gar nicht oder erst sehr viel später tätigen könnten (z.B. ein Hausbau). Allerdings ist dies nur eine Verlagerung der Argumentation, denn die Möglichkeit zur Verschuldung rechtfertigt nicht automatisch die damit einhergehenden Konditionen.

Sind Zinsen sinnvoll?

Es ist wenig verwunderlich, dass Zinsen so weit verbreitet und in unserer Kultur derart tief verankert sind. Schließlich sind sie eine der wichtigsten Haupteinnahmequellen für Banken. Doch auch Privatpersonen halten viel von Zinsen: Könnten sie sich nach verbreiteter Auffassung durch geduldiges Warten in Form von Festgeld oder Anleihen auszahlen. Die Erfahrung hat hingegen gezeigt, dass dies in den meisten Fällen eine Illusion ist.

Hinweis

Die meisten Tagesgeldsätze befinden sich weit unter dem Inflations-Niveau.

Sparer verlieren sogar Geld, anstatt welches dazuzubekommen. Einige Banken haben gänzlich auf einen Tagesgeld-Zins verzichtet und „locken“ ihre Kunden mit frechen 0,0 %. Zusätzlich erheben einige Kreditinstitute sogenannte Strafzinsen.

  • Tagesgeld-Zinsen sind verschwindend gering oder bei 0 %
  • Dispozinsen sind nach wie vor hoch
  • dennoch legt knapp die Hälfte der Deutschen Tagesgeld an

Die meisten privaten Anleger glauben aber nach wie vor an das Märchen vom Sparzins. Vermutlich ist dies ein Relikt besserer Zeiten, in denen das Sparbuch tatsächlich noch eine rentable Wertanlage war. Heute hingegen legen immer mehr Deutsche ihr Geld bei ausländischen Banken oder FinTechs an. Auch das birgt Risiken, denn diese Investitionen sind nicht immer durch die deutsche, wenn auch meist durch die europäische Einlagensicherung (100.000 €) gedeckt. Das aktuelle Beispiel Griechenland zeigt, wie schnell ein nationales Bankensystem kollabieren kann.

Zinsen sind vor allem für jene Akteure nützlich, die sie in hohem Maße erheben können: Kreditgeber, Gläubiger, Banken. Das hat dramatische Auswirkungen auf die Verschuldung und erzeugt eine schwerwiegende Abhängigkeit. Genau dieses Abhängigkeitsverhältnis kritisieren Institute wie die Ethik-Bank.

Fazit

Zum Thema Zinsen herrschen viele Irrtümer, auch seitens der System-Kritiker. Oft wird in der Argumentation Ursache und Wirkung vertauscht. Dennoch ist offensichtlich, dass zumindest die meisten privaten Sparer nicht direkt vom aktuellen Zinssystem profitieren. Zwar glauben noch viele Bürger an die Mär vom Zinsguthaben, doch stehen Spar-Erträge in keinem Verhältnis zur Inflationsrate und den nach wie vor hohen Dispozinsen.


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